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Achtsam leben

Wir sind für die Erfahrungen, die wir so in unserem Leben machen, selbst verantwortlich.

Vielleicht geht es dir wie mir als ich diesen Satz das erste Mal gelesen habe. Auf der einen Seite hört sich das ein wenig anmaßend an, weil uns doch die Dinge in unserem Leben einfach passieren. Wir haben das Gefühl, dass wir doch daran gar nichts ändern können. Andererseits bauen wir dadurch oft innerlich Druck auf, da wir glauben, dass alles Schlechte in unserem Leben durch uns verursacht wurde. Um dir diesen Druck zu nehmen und dir zu zeigen, was damit genau gemeint ist, habe ich die folgende Geschichte für dich.

 

Die Geschichte zweier Brüder

Die beiden Jungen sind mit einem Vater aufgewachsen, der sehr viel geschrien und geschimpft hat. Darüber hinaus hat er den älteren Bruder immer wieder wegen Kleinigkeiten angeschrien und ins Badezimmer gesperrt. 

Als beide erwachsen sind, schildert der jüngere Bruder, wie schrecklich seine Kindheit war. Das mit anzusehen, dass der eine Bruder dann immer so für lange Zeit ins Badezimmer gesperrt wurde. Die Vorstellung wie sehr sein Bruder darunter gelitten haben musste, macht dieses Erlebnis für den jüngeren Bruder zu einer so schrecklichen Erinnerung, dass er als Erwachsener immer noch darunter litt.

Mit Mitte zwanzig bring er sich dann den Mut auf und spricht seinen Bruder auf diese Zeit an. Überraschend war dann aber für ihn zu erfahren, dass das Erleben für seinen älteren Bruder ganz anders gewesen ist. 

Sein älterer Bruder war froh, ins Badezimmer zu können. Für ihn war das ein Rückzugspunkt. Er hat es genossen, eine Auszeit zu haben von dem lauten, brüllenden Vater und hatte auch gar nicht den Wunsch, früher oder schneller rauszukommen. Er hat diese Momente im Badezimmer für sich als positiv erlebt. An diesem Beispiel wird deutlich, wie unterschiedlich die ein und dieselbe Situation erlebt und interpretiert wird. 

Bewerten von Erfahrungen - Warum bin ich für das Bewerten meiner Erfahrung selbst verantwortlich?

Alle unsere Beziehungen und Erfahrungen sind per se erst einmal neutral. Das gilt auch für alle Gegenstände und Dinge um uns herum, aber auch für die Gedanken, die wir denken. Wir verleihen all diesen Dingen ihren Wert. Wir interpretieren alle Beziehungen und Erfahrungen, die wir machen. 

 

Sehen wir uns als erstes die Beziehungen zu anderen Menschen an. Die Beziehung zwischen zwei Menschen ist im Ursprung neutral. Erst wenn wir anfangen, unsere persönliche Bewertung abzugeben, werden Sie für uns gut oder schlecht. Erst wenn wir uns eine Meinung zur anderen Person bilden, ist das plötzlich jemand, den wir gut finden oder jemand, den wir nicht gut finden. 

Wichtig ist aber die Erkenntnis, dass wir diejenigen sind, die diese Entscheidung treffen. Es liegt an uns, zu entscheiden, ob wir denjenigen sympathisch finden oder unsympathisch. Theoretisch könnten wir alle Menschen immer sympathisch finden, wenn wir das denn wollten. Nur wollen wir das gar nicht. Als Grund geben wir an, dass der andere etwas an sich hat, was wir nicht gut finden. Aber auch das ist wieder unsere Bewertung und darauf basierende Entscheidung. Wir entscheiden uns, dass wir diese Eigenschaft am Anderen nicht gut finden und dass wir deswegen diese Person nicht mögen. 

 

Ein anderes Beispiel für die persönliche Bewertung eines Ereignisses ist der Gang zum Zahnarzt. Für viele von uns, ist das mit unangenehmen Gefühlen verbunden. Neutral betrachtet macht der Zahnarzt nichts anderes als ein anderer Arzt auch, nämlich er sorgt dafür, dass unser Körper bzw. in dem Fall unsere Zähne wieder gesund werden und uns so lange wie möglich erhalten bleiben. Aber wir haben irgendwann einmal in unserem Leben die Entscheidung für uns getroffen, dass wir einen Besuch beim Zahnarzt als unangenehmer bewerten als der Gang zum Hausarzt. 

 

Auch allen Dingen um uns herum verleihen wir ihren Wert. Schauen dich im Raum um. Wohin fällt dein Blick? Auf den Sessel vielleicht oder das Bett, den Schreibtisch – alles das sind erstmal nur Gegenstände. Erst wenn wir ihnen ihren Wert verleihen, werden sie zu Dingen, die für uns wichtig oder unwichtig sind. 

 

Aus unseren Gedanken werden unsere Worte und aus unseren Worten werden unsere Handlungen und daraus unser Leben

Alle diese Bewertungen entstehen in unseren Gedanken. Daher ist die Voraussetzung, um unsere Bewertungen zu verändern, achtsam mit unseren Gedanken umzugehen. Wir denken jeden Tag Tausende von Gedanken, die meisten davon unbewusst. Unser Gehirn macht den Tag über fast nichts anderes als zu denken. Nur sehr wenige dieser Gedanken nehmen wir als bewusstes Denken wahr. Der Großteil besteht aus Gedanken, die Gefühle oder unser Leben bewerten. Doch diese Bewertungen spiegeln sich in unserem Erleben wider. Ein gutes Beispiel dafür sind Glaubenssätze.

Glaubenssätze sind nichts anderes als Gedanken, die wir so oft gedacht haben, dass wir sie glauben. Wir sind dann davon überzeugt sind, dass wir so sind oder dass die Welt so ist. Glaubenssätze sind z.B. sowas wie: 

  • Ich bin nicht gut genug. 
  • Ich muss perfekt sein
  • Alle Autofahrer sind aggressiv. 

Wir müssen uns also bewusst machen, dass wir den Gedanken ihren Wert geben. Wir dürfen die Verantwortung für den Gedanken übernehmen und damit ihm auch den Wert wieder entziehen.

Somit sind wir selbst verantwortlich dafür, wie wir unser Leben erleben und welchen Gedanken wir Bedeutung beimessen. Wir können uns entscheiden, ob wir Gedanken der Liebe wählen oder der Angst. Wir können uns entscheiden, ob wir Gedanken des Friedens wählen oder der Verurteilung und Wut. 

Achtsamkeit als Basis

Die Voraussetzung für diese Entscheidung, welchen Gedanken ich glaube, ist meine Gedanken bewusst wahrzunehmen. Erst dann haben wir die Macht, uns für das eine oder das andere zu entscheiden. 

Dabei hilft es, regelmäßig innezuhalten und die eigenen Bewertungen zu hinterfragen. Stelle dir Fragen wie:

  • Warum denke ich das über den anderen?
  • Welche Bedeutung habe ich diesem Gegenstand gegeben?
  • Was denke ich über mich in dieser Situation?
  • Was habe ich eben gerade gedacht?

Dann überlege, ob es sich bei diesen Gedanken um etwas handelt, dass

  • dich stärkt
  • aus Liebe kommt
  • dich in deiner inneren Mitte hält?

Sollte dem nicht so sein, erkenne, dass du wählen darfst. Du darfst entscheiden, diesen Gedanken einfach vorbeiziehen zu lassen. Es ist an dir, diesem Gedanken die Größe oder Wichtigkeit zu entziehen.

 

Natürlich ist das dann auch immer noch ein Weg und wir können nicht von jetzt auf gleich uns immer nur für Liebe und für Frieden entscheiden. Aber allein zu wissen, dass wir diejenigen sind, die diese Entscheidung treffen, ist der erste Schritt auf dem Weg zu mehr Leichtigkeit in unserem Leben.